Bergpark reloaded

Ausstellung mit einem Beitrag des Fachgebiets Digitales Gestalten in Kassel

19.05.2023

Vom 21.05. und bis zum 17.09.2023 nimmt Hessen Kassel Heritage die Besucher*innen im Schloss Wilhelmshöhe mit auf eine virtuelle Reise in die Ursprünge des Bergparks Wilhelmshöhe. Die Ausstellung „Bergpark reloaded“ zeigt unter anderem einen virtuellen Einblick in die eigentlichen Baupläne Landgraf Carls und bietet so Besucher*innen die Möglichkeit in eine Kulturlandschaft der Superlative einzutauchen. Das digitale Modell des Bergparks ist in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt, Fachgebiet Digitales Gestalten, entstanden und ermöglicht einen faszinierenden Einblick in dieses gigantische barocke Bauvorhaben.

Seit mittlerweile zehn Jahren gehört der Bergpark Wilhelmshöhe zum universellen Welterbe der Menschheit. Mit der Aufnahme würdigte die UNESCO das Gartendenkmal damit als einzigartige Kulturlandschaft sowie die Wasserspiele und den Herkules als außergewöhnliches und einmaliges Beispiel monumentaler Baukunst des europäischen Absolutismus. Die Ausstellung „Bergpark reloaded“ legt den Fokus auf die barocken Anfänge des Bergparks und fragt nach der ursprünglichen Planung, die in vier, teils übereinstimmenden, teils widersprüchlichen Quellen überliefert ist: Dem Stichwerk von Guerniero selbst, acht Gemälden, die Jan und Rymer van Nickelen malten, drei Medaillen, die Landgraf Carl und seine Nachfolger auf den Bergpark prägen ließen und dem Querschnitt und Grundriss des 1780 am Königstor geplanten neuen „Modellhauses“.

(Re)konstruiert – Das große Kaskadenprojekt

Ausgehend von der Gemäldeserie von Jan und Rymer van Nickelen, die in acht großformatigen Panoramen ein Idealbild des Kaskadenprojekts von Landgraf Carl zeigen, wurde seit 2021 ein digitales Modell der Anlagen (re)konstruiert. Ein kleines Team des Fachgebiets Digitales Gestalten der TU Darmstadt und von Hessen Kassel Heritage hat sich der Herausforderung gestellt, der historisch überlieferten Idee eine weitere Präsentation hinzuzufügen. Dabei wurde die in den Gemälden wiedergegebene Gestaltung ebenso aufgegriffen, wie die dort vermittelte Stimmung. Die Herausforderung bestand vor allem darin, für die nicht sichtbaren Teile der Anlage einen plausiblen Entwurf zu finden. Ein spannendes Ergebnis der Arbeit ist auch, dass man jetzt sagen kann, dass die Anlage offenbar sehr gut vorgeplant war. Sie hätte wahrscheinlich fast vollständig ohne unmögliche Eingriffe in das natürliche Gelände gebaut werden können. Entstanden ist ein vollständiges digitales Abbild der Anlage, so, wie Landgraf Carl sie sich vermutlich gewünscht hatte. In der Ausstellung wird das digitale Modell ständig in einem hochauflösenden Film zu sehen sein. In ausgewählten Führungen wird es einen interaktiven virtuellen Rundgang durch diese Barockarchitektur geben.

Zum Hintergrund der nur zum Teil realisierten Planung

Erste Planungen für eine monumentale Anlage an der Hangkante des Habichtswaldes lassen sich bereits in den 1680er Jahren nachweisen. Doch erst mit der Berufung des Italieners Giovanni Francesco Guerniero durch Landgraf Carl im Jahr 1701 gewann das Bauvorhaben an Fahrt. Er entwarf eine Anlage, die vom Herkulesbauwerk bis zum heutigen Schloss Wilhelmshöhe gereicht hätte, aber nur zu einem Teil realisiert wurde. Das Oktogon samt Pyramide und Herkulesstatue, die Grotten im oberen Bereich und die Kaskaden setzte Guerniero noch ins Werk, ehe er 1715 nach Rom zurückzukehrte. Infolgedessen kam das Bauprojekt zum Erliegen und erst Carls Nachfolger planten und bauten daran weiter. Landgraf Friedrich II. schuf zahlreiche Parkbauten und Landgraf Wilhelm IX. – der spätere Kurfürst Wilhelm I. – ließ die barocken Wasserspiele ab Ende des 18. Jahrhunderts durch monumentale Wasserbilder im Sinne eines englischen Landschaftsgartens ergänzen.

Das verlorene Modell des Bergparks

Wie historische Reiseberichte belegen, konnte man zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Kassel ein Modell des Bergparks besichtigen. Zwischenzeitlich im sog. Kunsthaus, einem von Landgraf Carl gegründeten wissenschaftlichen Museum (heute Naturkundemuseum im Ottoneum) ausgestellt, war es später im sog. Modellhaus zu sehen. Zusammengebaut hatte es beachtliche Ausmaße von ca. 63 m Länge, ca. 10 m Höhe und etwa 6 m Breite. Neben den realisierten Wasserkünsten zählte es zu den großen Attraktionen Kassels. 1808, in der Regierungszeit König Jérôme Bonapartes, wurde es abgebaut und in Einzelteile zerlegt. Wie viele andere Modelle aus dem ehemaligen Modellhaus ist es unwiederbringlich verloren.

Wie dieses Modell aussah und was es zeigte, zählt bis heute zu den offenen Fragen der Bergparkforschung. Dass es Jan und Rymer van Nickelen zum Ausgangspunkt für ihre Gemäldeserien nahmen, gilt als sehr wahrscheinlich. Ob die Maler es jedoch getreu wiedergaben oder zum Ruhme des Landgrafen weiter ausschmückten, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit klären.